Nachdem ich mich in den letzten Tagen mühsam mit Medikamenten auf den Beinen gehalten habe, habe ich mir heute ausnahmsweise erlaubt einfach nur krank auf dem Sofa rumzuhängen und nichts zu tun. Welch Wohltat! Und was gehört zu einem ordentlichen Gammeltag auf dem Sofa dazu? Flimmerkiste und Junkfood! Diejenigen unter euch, die Kinder haben, wissen, welch unfassbarer Luxus diese wenigen ungestörten Stunden auf dem Sofa sein können.
Ich habe mir Das erstaunliche Leben des Walter Mitty angesehen. Und nachdem der Film vorbei war, ich meine Tränen getrocknet und mich wieder gefangen hatte, wusste ich, warum wir nach Bali fahren müssen.
Das Leben ist manchmal komisch. Dinge passieren und können dein Leben in eine völlig andere Richtung lenken. Manchmal vergisst man dabei, wer man eigentlich ist und was man wirklich liebt.
Schöne Dinge fragen nicht nach Aufmerksamkeit.
Ein Zitat aus dem Film, das mir unglaublich nahe geht. Es stammt aus einer Szene, in der Walter Mitty mit einem Fotografen zusammen irgendwo im Himalaya sitzt. Der Fotograf (Sean Penn) beobachtet einen Schneeleoparden, den er fotografieren will. Ein seltenes, erhabenes, zurückhaltendes Tier, das sich nur selten blicken lässt.
Es hat mich daran erinnert, warum ich so gern fotografiere und warum mein liebstes Motiv Menschen sind, die nicht wissen, dass sie fotografiert werden. Im Alltag vergessen wir zwischen all unseren Verpflichtungen oft wer wir sind, was wir können und was uns ausmacht. Manchmal ist es nötig, daran erinnert zu werden und manchmal sagt ein Bild mehr als 1000 Worte.
Ich liebe die Fotografie. Ich liebe gutes Essen. Ich liebe Musik. Ich liebe Tanz. Und ich liebes es, im Moment zu leben. Alles Dinge, die ich in den letzten Jahren nicht nur vernachlässigt, sondern nahezu aus meinem Leben gestrichen hatte. Und ich habe das Gefühl, dass ich den Menschen, die ich liebe, nicht genug Aufmerksamkeit geschenkt habe. Ich hetze von einer Deadline zur nächsten, versuche allen Verpflichtungen gerecht zu werden und die wenigen Freunde, die ich habe, nicht zu verlieren. Bisher klappt das alles erstaunlich gut und ich bin an einem Punkt in meiner „Karriere“ angekommen, den ich früher nie für möglich gehalten hätte.
In den letzten Monaten herrschte bei mir Dauerstress. Zwei Kinder, Studium und Nebenjobs vereinbaren sich nicht von allein und so kommt es, dass ich seit bald neun Monaten keinen einzigen Tag Urlaub hatte. Ich hatte nicht mal richtige Wochenenden. Denn immer, wenn ich nicht irgendwie gearbeitet habe, dann nur, weil ich auch noch andere Verpflichtungen wie Familie und Freunde habe. Und wenn ich meine Zeit ihnen statt der Arbeit widmete, ging ich im Hinterkopf ständig meine To-Do Liste durch und der innere Stresspegel stieg mit jedem Moment, an dem ich meine Aufgaben nicht abarbeitete.
Spätestens als ich vor einigen Wochen mit dem Smartphone in der Hand auf dem Spielplatz stand und mit jeder eintrudelnden Mail immer schlechtere Laune bekam, statt mich darüber zu freuen, dass mein jüngster nun voller Inbrunst und Glückseeligkeit alleine rutscht, wusste ich, dass etwas gewaltig schief läuft. Gestern war es dann soweit. Ich hatte die Spitze des Eisbergs erreicht. Mit Angina, durch Antibiotika und Scherzmitteln gedoped, saß ich bei einem Arbeitsmeeting und präsentierte meine Ergebnisse, während mein Mann den Kindergeburtstag unseres Großen allein am Laufen hielt. Und wie das mit Meetings so ist, wenn man es am wenigsten gebrauchen kann, dauern sie am längsten. Ich hatte Glück und habe es noch zum Kindergeburtstag geschafft, wenn auch mit einer Stunde Verspätung. Ich hatte meine Spiegelreflexkamera zu hause vergessen, sodass ich nur zwei Schnappschüsse vom großen Tag des kleinen Mannes mit dem Handy gemacht habe.
Das ist nicht, was ich will. Das bin nicht ich. Das soll nicht mein Leben sein und auch nicht das, was ich meinen Kindern mitgeben will. Arbeiten ist wichtig, ja! Aber meine Kinder sind wichtiger! Und Geburtstage sind heilig! Das waren sie für mich schon immer. Das ist dieser eine Tag im Jahr, der allein dem Geburtstagskind gehört. Dieser eine magische Tag, an dem alles erlaubt und nur das Geburtstagskind wichtig ist. Es ist eine Sache mich selbst und meine Gesundheit völlig zu vergessen. Eine ganz andere Sache ist es, die Menschen zu vergessen, die ich liebe.
Und genau darum geht es bei unserem Abenteuer. Wir drücken die Pause-Taste. Wir steigen aus aus diesem Leben. Nur für eine Zeit lang. Wir werden mit dem Fahrrad an Reisfeldern vorbeifahren, salzige Meeresluft atmen und für uns völlig fremde Lebensmittel probieren. Wir werden durch den Regenwald wandern, mit Affen spielen und Surfer bei ihrem Ritt über die Wellen beobachten. Wir werden Bahasa Indonesia lernen, auf dem Markt feilschen und versuchen mit unseren Mopeds im indonesischen Linksverkehr zu überleben. Und vor allen Dingen werden wir im Moment leben, die Welt mit Kinderaugen sehen und staunen über all die Dinge, die uns so fremd und neu sind. Und ich werde sie festhalten, diese Momente, mit meiner Kamera, wenn ich nicht gerade zu sehr damit beschäftigt bin, sie zu genießen…
Die offizielle Hotline des Deutschen Studentenwerks ist erreichbar
von montags bis freitags 8 - 20 Uhr (kostenfrei).
B-licious
Du hast mich gerade zu Tränen gerührt! Du hast (wie immer) so Recht mit allem, was Du schreibst! Vielen Dank für diesen tollen Blogpost, in dem so wahnsinnig viel Wahrheit steckt!
Liebe Grüße
Barbara
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