Ich wurde kürzlich von einer Zuschauerin auf Youtube zum Thema Studienabbruch gefragt:
"Zu welchen Zeitpunkt sollte man sich für einen Wechsel entscheiden ? Direkt wenn die ersten Zweifel aufkommen oder noch ein bis zwei Semester durchziehen und versuchen? Wie kommt es bei Arbeitgebern an wenn man zwei oder sogar drei mal den Studiengang gewechselt hat?"
Warum ich das denke und wie du vielleicht unauffällig testen kannst, welcher Studiengang der richtige für dich ist, erkläre ich dir gern lang und breit in diesem Video:
Einige Tipps, wie du den richtigen Studiengang für dich findest, hat meine Gastautoren Johanna für dich zusammengetragen. Johannas Artikel enthält auch eine YouTube Playlist mit derzeit 37 Videos, die dir hoffentlich bei der Wahl deines Studiengangs helfen kann. Ich habe nämlich mehrere YouTuber gebeten, dir und mir zu verraten, was sie studieren und von ihren Erfahrungen zu berichten.
Ich kann mich echt nur wiederholen: Es gibt keinen Grund sich deswegen schlecht zu fühlen. Ein Studienabbruch ist nicht so ungewöhnlich wie du meinst. Erwartungen und Realität driften nicht selten auseinander und manchmal hatte man vielleicht auch gar keine Erwartungen, sondern nur den Druck irgendetwas machen zu müssen, wie zum Beispiel Lisa, die hier von ihren Erfahrungen und Erwartungen im Studium berichtet.
So ist das eben mit Entscheidungen. Wie gut oder schlecht sie sind, wissen wir immer erst im Nachhinein. Also Kopf hoch. Du packst das schon. Ich glaub an dich und du solltest das auch.
Die offizielle Hotline des Deutschen Studentenwerks ist erreichbar
von montags bis freitags 8 - 20 Uhr (kostenfrei).
Eichelhäher
Das Kernproblem von Vielwechslern geht eher in die Richtung: Ich will zu 100% Wissen was mir liegt und will daher soviel wie möglich darüber in Erfahrung bringen und wechsel daher 3 oder 5 bis 10 mal meinen Studiengang. Menschen aus bildungsfernen Haushalten stecken meistens hier fest.
Menschen aus finanziell Schwachen und bildungsfernen Verhältnissen die dazu nicht willensstark genug sind das zu kompensieren haben meist das Problem dass sie nie auf einen grünen Zweig kommen.
Der Arbeitgeber nimmt dann den fachfrustrierten Durchzieher der später wegen Burnout ausscheidet und lässt den lebenserfahrenen Menschen, der am Ende genau weiß das er für den Job geboren wurde links liegen.
Der Teufel steckt hier im Detail: Das Studium, Job, Viel- und Wenigwechseln sind im Prinzip vollkommen egal. Es zählt einzig das Individuum. Leider stößt hier die formale Praxis an ihre Grenzen: Große Unternehmen die gut bezahlen können nicht jeden von allen 2000 Bewerbern auf eine Stelle individuell prüfen und müssen Vorauswahlen treffen. Kleine Unternehmen bezahlen schlecht und kriegen daher auf eine Stelle vielleicht, wenn überhaupt eine einzige Bewerbung. Daher sind Kontakte und Beziehungen auch so wichtig, denn die können dieses Dilemma ein wenig auflösen.
Daraus ergeben sich folgende Lösungsmöglichkeiten:
Wer gut bezahlt etwas machen will das ihm liegt und persönlich erfüllt muss so früh wie möglich herausfinden was genau das eigentlich ist, am Besten noch vor dem Abitur und danach zielgerichtet darauf hinarbeiten und mit allen sich daraus ergebenden Konsequenzen und Problemen leben. Von ca. 20-25 studiert man dann und steigt mit ca. 25 in den Beruf in einem Konzern ein.
Wer diese Phase verpasst kriegt die zweite Chance: Wo andere bereits Chance Nummer 1 ergriffen haben und sich in Arbeit befinden muss man erst herausfinden was einem liegt und richtet dann sein Leben danach aus und steigt bei den kleineren bis mittelständigen Unternehmen zwar mit weniger Gehalt jedoch mit erfüllender Tätigkeit ein. Man studiert ca. von 25-30 und steigt mit ca. 30 in den Beruf ein.
Chance Nummer 3 ist dann ein Studium von ca. 30-35 mit Jobeinstieg ab 35 Jahren. Das ist dann die sogenannte "letzte Chance" bei Großkonzernen noch irgendwie unter die Haube zu kommen und eine nach außen hin ansehnliche Karriere zu machen. Für den Mittelstand ist das dann Chance Nummer 2. Für Kleinstunternehmen, also da wo sich kaum einer bewirbt weil schlechter Lohn & Co. ist das quasi immer noch Chance Nummer 1.
Glücklicherweise ist ein Leben mit sehr vielen Chancen ausgestattet. Wer bei Chance Nummer 7 dann von 50-55 studiert dem bleibt noch die Selbstständigkeit als Erfüllung.
Chance Nummer 13 hat dann auf jedenfall noch einen ideellen Wert.
Das ist jetzt natürlich recht simpel dargestellt, aber das sich daraus ergebende System ist ebenso recht simpel gestaltet: Es geht immer darum "besser" zu sein als die Konkurrenz. Ist die Konkurrenz bei gleichen Noten älter als man selbst, hat man bessere Chancen, denn am Alter kann die Konkurrenz nichts ändern. An den Leistungen pro Alter lässt sich eher was machen.
Verallgemeinernd kann man folgendes sagen:
Je eher man weiß, was man eigentlich beruflich machen soll, will und auch kann, desto "mehr" hat man am Ende davon. "Mehr" definiert sich hierbei aus Geld, Freiheiten, Sachwerten, Kontakten, Sozialprestige und eigentlich allem worum es im Leben so geht.
Und auf die Arbeitswelt bezogen klingt dass dann so:
Je jünger und höher man qualifiziert ist, desto mehr Vor- und Hintergrundwissen man mitbringt und desto mehr Vorteile man aus seinem persönlichen Umfeld ziehen kann, desto weiter kann man beruflich kommen wenn man es denn anstrebt.
Die letzte Aussage führt unweigerlich dazu die Menschen in soziale Schichten einzuteilen. Ja, Menschen aus sozial privilegierten Schichten haben es einfacher da mehr Geld, mehr Bildung oder eine bessere Gesundheit vorhanden ist. Grundsätzlich schließt ein vorurteilsfreies System jedoch den Aufstieg aus einer niedrigeren Schicht nicht aus. Und hier stoßen wir auf das nächste Problem: Die menschliche Natur. Ein vorurteilsfreies System gab es nie und wird es vermutlich auch nie geben, zumindest solange nicht wie kein wertneutraler Algorithmus über das Schicksal eines Menschen bestimmt. Diese "Systemschwäche" kann man wiederum aber auch für sich ausnutzen. Das ist der Grund warum "unfähige" Personen (wer auch immer das bewertet) in Positionen landen wofür sie nicht geeignet sind oder ungeeignete Personen in Berufe streben für die sie "unfähig"sind (wer auch immer das bewertet).
Die Konsequenz daraus:
War man in der Schule in Mathematik schlecht ist es recht ungünstig Physiker oder Ingenieur werden zu wollen. Nur wenn man bereit ist die hierfür notwendige Mehrarbeit aufzubringen kann das was werden. Wie diese Mehrarbeit dann im Hinblick auf das vorhandene Niveau vor dem Studium hin zum vom System definierten Niveau nach dem Studium aussieht ist eine höchst individuelle Angelegenheit die so individuell ist das, dass jeder nur für sich selber entscheiden kann. D.h. bspw. jemand der ein Talent für Mathematik hat, jedoch in der Schule einfach kein Glück mit den Lehrern hatte hat eine höhere Wahrscheinlichkeit ein guter Physiker zu werden als jemand der den besten Mathelehrer hatte sich aber nie für dieses Fach begeistern konnte.
Will man lieber Psychologe werden weil man mit Menschen gut kann und sich für deren Probleme sowie Lösungen hierfür wirklich interessiert dann ist der Matheteil eher zu schaffen da im Gegensatz zum Physikstudium nicht der Fokus darauf liegt.
Der GAU ist dann natürlich ein Mathematikstudium zu absolvieren mit einem ausschließlichen Interesse für Kunstgeschichte ohne jegliche Motivation die Schönheit der Mathematik für sich zu erschließen.
Will man sozial aufsteigen muss man mehr leisten als jene die bereits in der sozialen Schicht sind in welche man selbst hineinstrebt. Man muss für diese Mehrarbeit bereit sein und vor allem muss man VOR der Mehrarbeit wissen worauf man sich da einlässt. "Ich studier jetzt mal Wirtschaftsingenieurwesen weil ich danach einen gut bezahlten Job will" reicht in der Regel zumeist leider nicht aus.
Ein künstlerisch veranlagter Mensch ohne Affinität für Mathematik aus einer finanziell schwachen und bildungsfernen Schicht welcher den sozialen Aufstieg über ein Ingenieurstudium anstrebt ist so ziemlich das schwerste was ich mir vorstellen kann. Wenn der das schafft dann ziehe ich meinen Hut vor dieser nahezu biblischen Leistung. Unglücklicherweise wird dies von unserer Gesellschaft nur mäßig honoriert. Denn als fertiger Ingenieur geht es dann munter mit mathematischen Ingenieurstätigkeiten weiter. Ob so ein Mensch dann glücklich wird, ich weiß es ehrlich gesagt nicht. An seiner Stelle würde ich eher eine duale Ausbildung bei einem größeren Unternehmen anstreben um zumindest eine finanzielle Basis zu haben. Parallel würde ich dann versuchen in dem künstlerischen Bereich Fuß zu fassen, je nachdem wo es mich eben hinzieht.
Das Fazit:
- um Arbeit, sei es im Job, im Studium oder im und vor dem Abitur kommt niemand drum herum, selbst die Cleversten müssen stets obacht geben clever genug zu sein um jeder Arbeit aus dem weg zu gehen was wiederum in Arbeit mündet (Und um das auch gleich eindeutig zu sagen: Arbeit bedeutet nichts anderes als Disziplin und Anstrengung, sei es nun bei Routineaufgaben im Job, Lernen im Studium, der Absolvierung der Abiturprüfung oder der Selbstreflexion vor dem Abitur)
- je eher man damit anfängt, desto eher hat man etwas davon.
- je eher man damit aufhört, desto weniger kriegt man heraus.
- man kann einen Einfluss darauf nehmen welche Arbeit man verrichtet. Diese Einflussmöglichkeiten sind bspw.: Selbstreflexion, Wahl der Schulform, Wahl der Leistungskurse, Wahl des Studiums, Wahl des Berufes, Wahl des Arbeitgebers
- diese Einflüsse bedingen sich gegenseitig, d.h. wähle ich als Studium Medizin werde ich vermutlich nicht Google als Arbeitgeber wählen, wähle ich als Schulform die Realschule werde ich auch keine Studienwahl treffen es sei denn ich treffe die Wahl ein Abitur, Fachhochschulreife, etc. an die Realschule anzuschließen
- diese Einflüsse kann man jederzeit ändern man muss dann aber mit den Konsequenzen leben die sich daraus ergeben genau so wie man auch mit den Konsequenzen leben muss wenn man diese Wahlen nicht trifft oder nicht ändert
Die finale Frage ist: Mit welchen Konsequenzen kann ich gut leben?
Die postfinale Frage ist: Welche Konsequenzen ergeben sich für mich überhaupt?
Die Antwort der Arbeitgeber, der Wirtschaft, des akademischen Elfenbeinturms, der Wissenschaft, der Politik, der Regierungen aller Länder dieses Planeten inkl. Donald Trump, des Dalai Lama, der NATO, der UNO, der UNESCO und von Green Peace auf diese postfinale Frage sieht vermutlich so aus: Woher soll ich das wissen, es ist doch dein Leben.
Die postfinale Frage ist hierbei eine garstige Sache. Das unschöne ist aber nicht die Frage an sich, sondern der Umstand dass sie sich gemeinerweise erst stellt nachdem die finale Frage bereits formuliert wurde. Das ist ein Widerspruch in sich. Was bitte soll denn noch nach dem Finale kommen? Final bedeutet Aus, Schluss, Ende, danach kommt eigentlich nichts mehr, höchstens noch der Abspann und ein wenig Werbung. Und genau da liegt aus meiner Sicht der Hund begraben: Die postfinale Frage ist in Wirklichkeit eine prefinale Frage! Welche Konsequenzen sich für einen selbst ergeben fragt man bevor man sich fragt mit welchen Konsequenzen man überhaupt gut leben kann. Man muss sich vorher informieren. Egal ob Abiturprüfung, Studium, Job oder Arbeitgeber. Welche Schwerpunkte eine Prüfung hat, darüber informiert man sich vorher, damit man sich sogut wie möglich darauf vorbereiten kann. Man geht doch nicht unvorbereitet in eine Prüfung und probiert mal aus ob einem diese Prüfung liegt und wenn nicht, ja dann probiere ich eben irgendwo anders eine Prüfung aus solange bis ich eine Prüfung finde die mir gefällt. Ich habe den Eindruck dass man einfach nicht gewillt ist die Disziplin und Anstrengung zu erbringen sich vor einer Prüfung zu informieren was in der Prüfung eigentlich dran kommt und dann nochmal die Disziplin und Anstrengung zu erbringen diese Prüfung auch mit einem sehr guten Ergebnis zu absolvieren. Um hier Missverständnissen vorzubeugen, ich finde eine Prüfungswahl nach Gefallen grundsätzlich nicht schlecht, im Gegenteil das kommt meiner Faulheit sehr entgegen ich befürchte nur dass unsere Leistungsgesellschaft einfach nicht nach diesem Prinzip funktioniert :-(
Um es mit einfachen Worten zu sagen: Zuerst informieren und dann entscheiden und NIEMALS zuerst entscheiden und dann informieren. Das erste ist ein Plan, das zweite ist ein Glücksspiel. Es können beide Gewinnen, der Planer jedoch hat eine höhere Chance als der Glücksspieler. Das liegt in der Natur der Sache und habe ich mir ehrlich nicht ausgedacht!
Wenn man nicht weiß ob ein Studium etwas für einen ist oder ob dieses Studium etwas für mich ist informiere ich mich immer erst vorher was eigentlich erwartet wird, dazu gibt es das Modulhandbuch, die Prüfungsordnungen, die Beratungsstellen der Fakultäten, die allgemeine Berufs- und Karriereberatung und in letzter Instanz auch die Professoren selbst. Bis auf die Professoren die man vorher schon um einen Termin bitten sollte ist das eigentlich alles öffentlich zugänglich.
Ich hoffe meine Gedankengänge können wenigstens ein bisschen helfen.
Was denkst du?