Für viele ist es eine Herausforderung oder sogar Provokation, für andere ist es der reinste Horror: ein weißes Blatt Papier. Schlimmer ist es dann noch, wenn irgendwer einem sagt, dass auf diesem Blatt Papier am Ende etwas stehen muss, für das es auch noch eine Note gibt.
Das Gefühl kennt eigentlich jeder: die Angst vor dem leeren Blatt.
Was sich für Nicht-Schreibende so banal und vielleicht lächerlich anhört, kann mitunter sogar pathologisch werden. In solchen Fällen wird diese Angst zu einer sehr realen Angst, die zu massiven psychischen Problemen führen kann.
Für die für Studenten alltägliche Ich-kriege-keinen-geraden-Satz-aufs-Papier-Angst gibt es aber Hausmittelchen, mit denen eine solche Phase schnell überwunden werden kann. Hier einige Tipps, die ich selbst während meiner Masterarbeit angewandt habe:
Je nach Fachrichtung schreibst du während deines Studiums mal mehr, mal weniger. Was für Geisteswissenschaftler an Schreibpensum im Semester völlig normal ist, ist für manchen Naturwissenschaftler undenkbar. Dennoch kommt jeder Student in die Situation eine Hausarbeit zu schreiben – und wenn es die Abschlussarbeit ist (was aber aus naheliegenden Gründen nicht die erste wissenschaftliche Arbeit sein sollte).
Wenn die schreibende Tätigkeit allerdings ausschließlich mit akademischen Leistungserbringungen verbunden wird, erhält es fast schon notwendig einen beängstigenden Charakter. Das ist ein ähnlicher Effekt, wie die schulische Lektüre von Büchern. Jedem, dem Lesen normalerweise Spaß macht, gehen die Schullektüren trotzdem auf die Nerven – egal, wie gut das Buch letztlich ist.
Um diesem Effekt zu entgehen, kann es hilfreich sein, die Tätigkeit selbst aus diesem Kontext zu entreißen und sie zum Alltag werden zu lassen. D.h. im Klartext: Schreibe so oft wie möglich! Du sollst natürlich nicht die abendlichen Netflix-Orgien durch wissenschaftliche Abhandlungen ersetzen aber die Verschriftlichung von Gedanken schult die Schreibpraxis und hilft ganz nebenbei gegen die Abneigung, die Schreiben möglicherweise aktuell noch auslöst.
Naja gut, das ist jetzt wohl auch so eine Macke von mir aber es hilft tatsächlich: Verwende Notizbücher! Ich will dir hier nicht sagen, dass du in der Vorlesung auf den Collegeblock verzichten sollst – da hat jeder so seine eigenen Methoden.
Was mir aber hilft, sind kleine Ideen-Sammelboxen in Form von kleinen Büchlein, die ich ständig mit mir herumtrage. Tipp Nr. 1 lässt sich damit hervorragend durchführen und es regt zum Denken an. Schreiben wird so schnell zu einem täglichen Handwerk und durch Übung wirst du sicherer!
Nein, nicht mit der Axt – hack die Wörter in den Rechner! Lass dir dabei von Grammatik, Ausdruck, Stil usw. zunächst erstmal nichts vorschreiben, sondern schreibe einfach los. Du wirst sehen, dass es a) nicht lange dauert, bis das leere Blatt sich füllt und b) die so produzierten Texte gar nicht so schlecht sind, wie du vielleicht denken würdest. Korrekturen und Anpassungen kann man immer noch machen aber, um überhaupt in den Schreibprozess einzusteigen ist es wichtig, schon etwas zu haben, auf das man schauen kann.
Doch? Ok, dann habe ich nichts gesagt.
Normalerweise wird von Studenten aber keine Arbeit erwartet, die in Stockholm mit 1 Million Euro honoriert wird. Das heißt für dich, dass du keine bahnbrechende Einleitung schreiben, keine noch nie dagewesene Formulierung und auch keine ultra-innovative Textstruktur brauchst, um eine gute Note zu bekommen. Wichtig sind vor allem Stringenz und Schlüssigkeit und die erreichst du im Zweifel auch über etablierte und gängige Textstrukturen. Also lass dich nicht von deinem Übermut oder der Sorge hemmen, dass dein erster Satz vielleicht nicht der beste aller Zeiten ist. Die Arbeit muss insgesamt funktionieren!
Diese vier Tipps sind natürlich nicht die 100%-igen Problemlöser aber es kann helfen, es mal zu versuchen. Solltest du allerdings die Befürchtung haben, dass deine Angst bereits in Richtung einer Psychose geht (wobei du in jedem Fall ehrlich zu dir selbst sein solltest – das ist eine ernste Angelegenheit!), gibt es in eigentlich allen Universitäten Beratungsstellen für solche Fälle. Dort wird alles sehr diskret behandelt und es wird dir auf jeden Fall geholfen.
Hast du noch weitere Tipps, die DIR mal geholfen haben, die ersten Zeilen endlich zu Papier zu bringen? Dann erzähl mir davon! Am besten direkt hier in die Kommentare 🙂
Lisa Burk
Ich habe schon einige Videos auf YouTube von dir gesehen und mich gerade sehr gefreut, auf meiner Suche nach Mitleidenden hier auf deinen Artikel zu stoßen - auch wenn er nicht mehr neu ist und du deine Arbeit schon abgegeben hast.
Ich habe letzten Sommer (2016) versucht, meine Bachelorarbeit zu schreiben. Das Thema hat allerdings überhaupt nicht funktioniert und so habe ich nach ein paar Wochen Verzweiflung und Tränen aufgegeben. Dann bin ich ein halbes Jahr in ein Praktikum gegangen, um ein bisschen Abstand zu gewinnen, und wollte nun erneut mit einem anderen Thema anfangen.
Das Problem: Ich war schon so lange nicht mehr in Kursen (Praktika, Erasmus), dass ich a) keine Professoren mehr kenne, b) kein Thema mehr aus Kursen filtern kann, dass mich interessiert und c) total demotiviert bin, weil es "schon mal nicht geklappt hat". Jetzt sitze ich seit 5 Wochen rum und könnte jeden Tag nur heulen, kein Professor ist mit meinem Themenvorschlag zufrieden bzw. würde lieber Leute betreuen, die er kennt. Die Professoren, die antworten, haben erst in ein paar Wochen wieder Sprechstunde. Falls ich mein Thema für die Betreuung ändern muss, würde ich also die nächsten Wochen nur verschwenden.
Das ist alles so demotivierend, dass ich morgens heulend aufwache, den ganzen Tag nichts tue und abends wieder schlafen gehe.
Ich hatte während des Studiums nie das Gefühl, so die Kontrolle über mich zu verlieren, und schaffe auch außerhalb des Studiums alles eigentlich mit links, habe tolle Freunde, Familie und einen Partner, bin finanziell ganz gut aufgestellt - viele viele Leute wären froh um meine Sicherheit! Trotzdem geht nichts voran ..
Ich weiß gar nicht, was ich mir jetzt als Reaktion erhoffe. Es tut nur auch mal gut, das in Worte zu fassen - es ist mir inzwischen so unangenehm, da jeder weiß, dass es schon mein zweiter Anlauf ist, dass ich gar nicht mehr darüber rede, wie sehr ich die Hälfte der Zeit schon verschwendet habe...
Luisa
das Gefühl kann ich so gut nachvollziehen. Mir ging es während der Masterarbeit auch total mies, obwohl ich eigentlich immer gute Noten und nie ernsthafte Probleme im Studium hatte trotz Kindern und Nebenjob. Die Angst auf den letzten Metern zu versagen, hat mich komplett blockiert. Genauso wie bei dir, gab es eigentlich nichts, was mich wirklich aufheitern konnte. Kurz vorm Abgabetermin (nach mehreren Verlängerungen) hab ich dann einfach die Augen zugemacht und stur durchgezogen. Ich fand nicht wirklich gut, was ich schrieb. Eigentlich hab ich mich die ganze Zeit nur geschämt, aber ich wollte unbedingt abgeben, um dem ganzen ein Ende zu setzen. Kurz vor meiner Verteidigung hatte ich dann einige Nervenzusammenbrüche.
Schlussendlich habe ich bestanden. Die Note war völlig ok, wenn auch nicht gerade Nobelpreisverdächtig. Ich habe diese schlimme Zeit überlebt und bin jetzt auf geradem Weg in ein neues geiles Leben.
Der Autor dieses Textes hat seine erste Masterarbeit übrigens auch abgebrochen und ein Jahr später nochmal ganz von vorn angefangen. Er hat den zweiten Versuch erfolgreich abgeschlossen und promoviert jetzt.
Dir stehen alle Türen offen. Lass dich nicht von deiner Angst beherrschen (https://www.studierenplus.de/pruefungszeit/hochstapler-syndrom/).
LG Luisa
Was denkst du?