Kennst du das? Du stehst vor einer Gruppe Menschen, die dich erwartungsvoll anschaut, während du mehr oder weniger souverän etwas präsentierst, das von einem Beamer an die Wand hinter dir geworfen wird. Wer wie ich IrgendwasMitMedien oder ähnliches studiert, der nennt das Prüfung. Gerade in solchen Fächern wie meinem müssen Studenten ohne Ende Vorträge halten. Wir machen das so oft und lange, dass das Thema der Präsentation irgendwann schon fast egal ist und man sich immer weniger darauf vorbereitet. Irgendwann ist man soweit, dass man aus dem Stehgreif fremde Präsentationen überzeugend als eigene verkufen kann. Das nennt man dann Powerpoint-Karaoke.
Für Leute, die nicht gern im Mittelpunkt stehen, kann man das wohl als Hölle bezeichnen. Manche von ihnen gewöhnen sich im Laufe des Studiums an die Höllenhitze und entwickeln eine gewisse Coolnes. Wohingegen die, die nach der gefühlten 1000. Präsentation noch verzweifeln.
Nichtsdestotrotz gibt es aber auch die, die das Rampenlicht suchen und in der Kindheit nie genug Aufmerksamkeit bekamen. Gleichwohl dürften diese die Art der Prüfung wohl als Urlaub bezeichnen. Folglich hört mir endlich mal jemand zu… Bzw. tut wenigstens so als ob. Ok, eigentlich ist nur noch der Prof. wach und der Rest versteckt sich in den Reihen hinter ihm vor irgendwelchen Laptopsdisplays oder schaut mit glasigen Augen aus dem Fenster. Aber hey, hier bin ich und endlich quatscht mir mal keiner dazwischen. 30 Minuten Monolog von mir für euch. Ihr könnt mir später danken 😉
Ja ich erinnere mich noch gut. Das erste Bachelor-Semester, die erste Präsentation meines Lebens. Scheiße, war ich aufgeregt. Wochenlang haben meine Präsentationspartnerin und ich an unserem Vortrag gearbeitet. Kreativ wollten wir sein, neue Wege gehen. Wir haben DEN GANZEN TAG vorher geübt. Immer und immer wieder haben wir den Vortrag durchgespielt. Wir wollten es perfekt machen, keine Karten benutzen, frei sprechen. Doch auch nach dem hundertsten Durchgang saß es nicht perfekt. Wir entschieden, sicherheitshalber unsere Notizen in Sichtweite zu lassen, falls wir 'nen Hänger haben sollten. Und dann war es soweit. Der große Tag. Unsere erste Präsentation in den heiligen Hallen der Hochschule, vor unseren neu gewonnenen Freunden und Leidensgenossen und der Dozentin. Gott, waren wir aufgeregt! Am Abend zuvor war eine große Studiengangsparty gestiegen. Das Plenum war ziemlich übernächtigt, wenn nicht sogar verkatert, aber das beruhigte uns nicht im geringsten.
Dann erinnere ich mich an nichts mehr. Will heißen, ich erinnere mich an die eigentliche Präsentation nicht mehr. Nur noch an das Feedback. Wir waren gut, sehr gut. Nicht perfekt, aber für Erstsemester nah dran. Yeah! Geschafft!
Ich erreiche um 9:30 Uhr die Uni. Um 9:45 Uhr bin ich mit A verabredet. B ist krank und sitzt beim Arzt. Wir müssen also zu zweit präsentieren. Wir sind Profis, kein Problem.
Um 10 Uhr schaue ich mir die Präsentation zum ersten Mal in meinem Leben an. In zwei Stunden muss ich vortragen können. Ich stelle fest, dass die Präsentation nicht vollständig ist. Wichtige Informationen fehlen. A schreibt mir, dass sie erst um 10:30 Uhr da sein wird. Sie hat verschlafen. Aufregung? Null. Lässt sich ja nicht ändern. Ich trinke Kaffee, klicke mich durch die unfertige Präsi und checke, was auf Facebook so los ist.
10:35 Uhr: A ist da. Ich weise sie auf die fehlenden Teile hin. Sie fügt sie in der kommenden Stunde unter leisem Fluchen über das Präsentationsprogramm ein. „Warum haben wir uns eigentlich für Prezi entschieden? Power Point wäre doch viel einfacher gewesen?“ fragt sie. „Keine Ahnung. War eigentlich nur ein Vorschlag. Hättest gern auch ein anderes Programm verwenden können.“ antworte ich. „Ich kann das nicht so schnell. Tut mir leid.“, sagt sie. „Mach dir keinen Stress“ sage ich.
Um 11:30 Uhr, eine halbe Stunde vor der Präsentation beschließe ich, dass es Zeit für Kaffee (für mich) und Zigarette (für A) ist. Präsi nicht fertig? Is doch egal! Frische Luft hilft beim Denken.
Um 11:45 Uhr teilt A mir bei Zigarette und Kaffee mit, dass sie wohl eher zu der zuerst beschriebenen Gattung Mensch gehört, die sich wohl nie an Höllenhitze gewöhnen wird und die auch nach jahrelanger Präsentationsroutine, diese Prüfungsart hasst. Wenn sie könnte, würde sie jetzt am liebsten gehen. Ich biete ihr an, allein zu präsentieren. Was soll sie sich quälen? Damit ist niemandem geholfen und ich bringe gerade genug Gelassenheit für drei mit. Sie denkt: Yeah! Note fürs kurzfristiges Zusammenschwurbeln irgendwelcher inhaltsloser Folien. Mein Semester könnte schlimmer sein. Ich denke: Yeah! Powerpoint Karaoke! Ihr gehört mir! 15 Minuten nur Me, Myself and I for You! Ihr könnt mir später danken. Autogramme nur zu meinen Sprechzeiten 😉
12 Uhr: Es geht los. Ich stehe vor 30 Kommilitoninnen, einem Prof. und A, die mich hoffnungsvoll anschaut. Von mir hängt jetzt alles ab. Unser Konzept ist super. Daran hab ich keinen Zweifel. Was soll also schon schief gehen? Ich fange an zu labern…
Nach 30 Sekunden denke ich: Viel zu flappsig. Du wirkst unprofessionell!
Weitere zwei Minuten später: „Scheiße, du hast gar keine Ahnung von der Präsi. Kack Ansicht! Wo ist denn hier….?“ Ich klicke hilflos zwischen den Folien hin und her… Ich sehe, wie meine Hand zittert und denke: „Scheiße! Bloß nichts anmerken lassen. Immer schön weiterlabern.“
Gefühlte weitere 3 Minuten (reale zehn Minuten später): A hält ein Schild hoch „Noch 4 Minuten“ – ich denke LAUT: „Was echt? Scheiße, ich muss mich ranhalten!“
Nach exakt 15 Minuten ist mein Monolog vorbei. Schließlich bin ich erleichtert und höchst unzufrieden mit mir selbst. Ob das jemand merkt? Inzwischen hat der Prof. nur eine Frage. Schließlich kann ich sie nicht beantworten. Prüfung abgeschlossen.
Dennoch bekommen wir eine 2.0. Immerhin. Nicht schlecht für eine Gruppe, von der sich zwei Drittel vorm Präsentieren gedrückt und das letzte Drittel nicht vorbereitet hatte. Obgleich mir niemand meine Nervosität angemerkt hat. Allerdings wie ich das mache? Das ist ein Kapitel für sich.
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Nicola
Luisa
Mario
Luisa
Luisa
In der 9. Klasse hat man uns in Informatik DOS beigebracht. Kennst du das überhaupt noch?
Ich habe mein Abi 2001 gemacht. Damals waren Laptops, Powerpoint und Co. keineswegs Standard. Und wenn du einen normalen Lehrberuf hast, hast du damit in der Regel auch wenig bis gar nichts zu tun.
Als ich 2008 mit dem Bachelorstudium begann hatte kaum einer meiner Kommilitonen einen Facebook-Account. Da waren noch StudiVZ und MySpace das Maß aller Dinge. ;)
Callisto
Vorträge an sich musstest du also schon halten, das ganze war jetzt in Verbindung mit Powerpoint (oder ähnliches) gesehen?
Stimmt, das ging später los.
StudiVZ und MySpace habe ich auch mitgemacht. MySpace hab ich gut in Erinnerung, weil es dort viel um Musik ging und ich viele Bands gefunden habe.
Grüße
callisto
Julia
Aber ich kenne das zu gut. Kopf hoch und weitermachen.
Luisa
Ein gutes hat die viele Präsentiererei wenigstens, ich bin nicht mehr aufgeregt :)
Jennifer
Luisa
Was denkst du?