Ein kleiner Prozentsatz an Studenten hat eine richtig gute Lernstrategie, mit der man große Mengen an Fakten auswendig lernt. Die meisten jedoch nicht. Der Grund dafür ist überraschend einfach:
Nur wenige machen sich wirklich intensiv Gedanken, welche Lernstrategien funktionieren und testen diese systematisch. Die meisten lernen stattdessen einfach so, wie sie schon immer – also in der Schule – gelernt haben.
Das ist wahrscheinlich der Grund, warum in wissenschaftlichen Untersuchungen dann auch herauskommt, dass viele Studenten leider genau die Strategien verwenden, die nicht funktionieren.
Die Preisfrage ist folglich:
Es gibt 4 Wege!
Der erste Weg ist, dass man sich einfach viele Bücher, Artikel, Blogs und Studien zu den Themen Lernen und Lernforschung durchliest, und sich aus den dort vorgestellten Erkenntnissen Lernmethoden zusammenbaut.
Der zweite Weg ist, dass man sich einfach neben Studenten setzt, die in relativ kurzer Zeit kontinuierlich eine gute Note nach der anderen schreiben – und diese Lernstrategien kopiert.
Der dritte Weg ist, dass man den ersten und zweiten Weg kombiniert und ein bisschen selber testet und die Methoden verfeinert. (Das hab ich übrigens gemacht.)
Dann gibt es noch den vierten Weg, den die meisten in Schule und Studium gehen, die noch nie etwas von Lernforschung gehört haben – und trotzdem ausgezeichnete Lernmethoden haben: Man probiert einfach die ganze Zeit verschiedene Lernmethoden aus, bis man eine Lernstrategie gefunden hat, die nicht mehr verbessert werden kann.
Ich persönlich bin Weg Nr. 3 gegangen. In meinen ersten zwei Semestern habe ich einen ganzen Stapel an Büchern und unzählige Artikel (wie der oben verlinkte), Studien und Blogs zu den Themen „Lernmethoden“ und „Klausurvorbereitung“ durchgelesen und angewendet.
Ich habe mit erfolgreichen Studenten aus unterschiedlichen Fächern (vor allem BWL, Jura und Medizin), in denen viele Fakten auswendig gelernt müssen geredet, mir ihre Lernstrategien angeschaut und diese kopiert, selber getestet und über die Zeit verfeinert.
Klausurenphase, erstes Semester. Ein paar Kommilitonen von mir kommen gerade aus der Klausur vom Fach Marketing, über die wir dann auch gleich geredet haben. „Na, wie lief's?“ fragte ich. Einer meinte: „Ja, ich hab schon von allen Dingen so ungefähr Bescheid gewusst … aber der Prof. wollte alles wirklich bis ins kleinste Detail wissen! Der wollte, dass wir einen Paragrafen aus dem Markengesetz wortwörtlich aufschreiben! Das konnte ich aber nicht so im Detail.“
Das ist natürlich extrem frustrierend und tödlich für jede Motivation. Denn er hatte alle abgefragten Themen gelernt. Aber leider nicht so wie es verlangt war. Gute Noten gibt’s aber leider nur, wenn man etwas komplett gelernt hat. In diesem Beispiel heißt es sogar alles oder nichts:
Lernzeit investiert = ein Thema zu 95% gelernt = 0 Punkte dafür in der Klausur, falls es drangekommen wäre.
Wenn man lernt, dann auch richtig. Sprich: Die in der Klausur geforderte Detailtiefe sollte man draufhaben.
Dazu muss man sich auf das Aufgabenformat gezielt vorbereiten. Das Aufgabenformat ist die Art der Fragen, die in der Klausur gestellt werden. Wenn man in Englisch einen Vokabeltest schreibt und nur 50 Vokabeln wie ein Computer übersetzen muss, ist das das Aufgabenformat. Wenn man in einem mathematischen Fach Beweise können muss, ist das das Aufgabenformat.
Wie bekommt man das Aufgabenformat heraus? Man macht folgendes: Man besorgt sich z.B. über den Fachschaftsrat alle Altklausuren, Probeklausuren und Übungsblätter von diesem Jahr und vergangenen Jahren (vom selben Dozent) und schaut, wie der Dozent die Fragen stellt. Daraus kann man z.B. die zu erwartende Detailtiefe ableiten (z.B. „muss man die Paragrafen wirklich auswendig lernen?“).
Wie gerade gezeigt wurde: Wenn man sich nicht auf das Aufgabenformat gezielt vorbereitet, besteht immer die Gefahr, dass man Punkte liegen lässt – obwohl man die entsprechende Lernzeit investiert hat.
Ist es dir jemals passiert, dass du lange gelernt hast, dich gut vorbereitet gefühlt hast, die Klausur gut lief, doch dann irgendwie keine gute Note herausgekommen ist? Das ist ein bekanntes Phänomen und in der Psychologie relativ gut erforscht. Die zugrunde liegenden Denkfehler nennt man Dunning-Kruger-Effekt und Overconfidence.
Was bedeutet das? Nun, man hat herausgefunden, dass sich Menschen in so ziemlich allen Lebensbereichen überschätzen. Es wurde z.B. festgestellt, dass knapp 30% aller Studenten eines Jahrgangs denken, dass sie zu den besten 10% des Jahrgangs gehören – was mathematisch ausgeschlossen sind.
Bei Autofahrern hat man in Befragungen festgestellt, dass 90% denken, dass sie besser als der Durchschnitt sind. Das ist mathematisch ebenfalls ausgeschlossen.
In Befragungen von Studenten hat man festgestellt, dass diese systematisch die Lernzeit für ihre Fächer unterschätzen, ihr Wissen überschätzen und denken, dass sie bessere Noten bekommen, als sie bekommen werden.
Kurz und knapp: Es liegt offenbar in der menschlichen Natur, sich zu überschätzen. Dafür kann man nicht wirklich was, denn offenbar ist das angeboren. Deswegen muss man sich vor systematischer Überschätzung schützen.
Faustregel ist deshalb: Zur eigenen Sicherheit sollte man immer davon ausgehen, dass man ein Thema noch nicht verstanden hat. Erst wenn ein Beweis vorliegt, dass man ein Thema verstanden hat, darf man davon ausgehen, dass man es auch wirklich verstanden hat.
Ein Beispiel: Angenommen du musst mithilfe von Wikipedia lernen, was der Begriff „Aktives Lernen“ bedeutet. Die meisten Studenten würden einfach den Artikel ein paar Mal durchlesen und dann denken, dass sie alles verstanden haben. In die Klausur würden sie überrascht werden, dass sie es offenbar doch nicht so gut können, wie sie zuerst gedacht haben.
Wir dagegen machen etwas anderes. Wir nehmen uns ein weißes Blatt Papier und schreiben die Frage drauf:
„Was ist aktives Lernen?“
Anschließend müssen wir diese Frage im ersten Schritt mit Hilfe des Wikipedia-Artikels so simpel und detailliert beantworten, dass jemand der noch niemals vom Begriff „aktives Lernen“ gehört hat, dieses Blatt durchlesen kann und weiß, was aktives Lernen ist.
Wir beantworten die Fragen durch eigene, selbsterstellte Erklärungen, Beispiele, Diagramme und Schaubilder. Einfach den Text abschreiben und Bilder abmalen ist verboten.
Vom Prinzip her ist das wie Lernen mit Karteikarten: Man hat auf der Vorderseite eine Frage und auf der Rückseite die passende Antwort. Man stellt sich die Frage, versucht sie im Kopf oder auf dem Papier zu lösen, und vergleicht seine frisch erstellte Antwort mit der Musterantwort.
Frage richtig gelöst? Dann kommt die Karte auf den „kann-ich-schon“-Stapel. Falsch gelöst? Dann kommt die Karte auf den „kann-ich-noch-nicht“-Stapel und ist später noch einmal dran.
Dieses Prinzip sollte man zum Lernen generell immer nutzen. Wie die Ausführung in der Praxis aussieht, ist nicht so wichtig. Hier nur ein paar Beispiele. Deiner Kreativität sind keine Grenzen gesetzt:
Es kommt also vor allem darauf an, dass man das Format „Frage stellen – Frage beantworten“ einhält. Das ist der sichere Weg, seinem angeborenen Drang zu Überschätzung unter Kontrolle zu bekommen. Hält man dieses Format nicht ein, kann es ganz schnell passieren, dass man denkt, dass man Thema X verstanden hat – aber es nicht wirklich verstanden hat.
Stell dir einmal folgendes vor: Dein Prof. gibt dir eine Liste mit allen Fragen, die in der Klausur drankommen könnten – dann könntest du diese nach Regel Nr. 1 und Regel Nr. 2 einfach systematisch auswendig lernen. Nun … das wird wohl kein Prof. machen – aber du kannst dir diese Liste so ungefähr selber erstellen.
Schritt 1: Du holst dir alle Altklausuren, Probeklausuren und Übungsblätter und siehst dadurch, mit welcher Detailtiefe du rechnen musst und welches Aufgabenformat dich erwartet
Schritt 2: Du holst dir alle Unterlagen (Skript, Folien, Mitschriften, Notizen) und gehst Schritt-für-Schritt die erste bis zur letzten Folie durch, versetzt dich in deinen Prof. und fragst dich: „Welche Frage würde ich stellen, wenn ich ticken würde wie der Prof.?“ Das macht man nun ganz einfach für alle klausurrelevanten Unterlagen. Seite für Seite, Folie für Folie – bis so ziemlich alle Fragen gestellt sind, die man stellen kann.
Das ist natürlich nicht dasselbe, als wenn der Prof. eine vollständige Liste mit potentiellen Klausurfragen herausgibt – aber viel näher dran als mit der eben genannten Methode kommt man an eine vom Dozenten erstellte Liste auch nicht wirklich.
Wenn man mit Karteikarten lernt, ist das also der Teil, wo man alle Unterlagen durchgeht und sich die Fragen stellt. Diese umfangreiche Fragenliste ist dann automatisch auf der Vorderseite enthalten.
Anschließend lernt man nach Regel 1 und nach Regel 2 – man arbeitet einfach alle Fragen ab.
Doch warum dieses Listenprinzip?
Mehr oder weniger komplette Lernstoffabdeckung. Man arbeitet systematisch alles ab, was abgearbeitet werden muss. Man kann diese Fragen dann nach Regel 1 und 2 lernen. Hat man dagegen keine Liste, kann z.B. folgendes passieren: „Hab ich jetzt schon Folie 578 gelernt – oder noch nicht?“. Wenn man mit diesem System eine komplette Liste an möglichen Fragen erstellt, wird man von diesen Zweifeln befreit. Glaub mir, dass macht das Leben bedeutend angenehmer ;).
Man weiß was man kann und was man nicht kann. Angenommen man geht eine Vorlesung mit z.B. 50 Folien durch. Doch welche Themen hat man verstanden – und welche nicht? Wenn man jetzt eine Liste an Fragen hat, kann man gelernte Themen einfach durchstreichen/abhaken/ etc. Nicht durchgestrichene Fragen oder Karten auf dem „kann-ich-noch-nicht“-Karteikartenhaufen nimmt man einfach nochmal durch – und man weiß, dass man diese Fragen noch nicht kann.
Unnötiges doppeltes Lernen vermeiden. Kommen wir noch einmal zum Beispiel zurück, dass man eine 50-Folien-Vorlesung auswendig lernen muss. Angenommen wir lesen den Foliensatz 3 Mal durch (was, wie bereits gezeigt wurde, die denkbar schlechteste Lernmethode ist). Nehmen wir mal an, dass wir 25 Folien verstanden haben und das wir die anderen 25 Folien nicht verstanden haben. Hat man keine Aufgabenliste oder Karteikarten muss man nun immer und immer wieder den kompletten Foliensatz durcharbeiten – immerhin weiß man ja nicht, was man kann und was man nicht kann. Dadurch wiederholt man immer und immer wieder die Dinge, die man schon kann. Das ist Zeitverschwendung. Wenn man 1+1 rechnen kann, muss man das nicht noch 78 Mal wiederholen. Erfahrungsgemäß kann man seine Produktivität sofort um 30% – 50% steigern, wenn man bisher ohne das Prinzip der Fragenliste gelernt hat. Einfach nur dadurch, dass man unnötiges doppeltes Lernen vermeidet!
Unter Zeitdruck kann man die einfachsten und relevantesten Themen gezielt als erstes lernen. Die Fragenliste soll also eigentlich den kompletten klausurrelevanten Lernstoff abbilden – wenn man jetzt unter Zeitdruck ist, kann man zuerst die Themen lernen, die (a) mit hoher Wahrscheinlichkeit drankommen und (b) die leicht und schnell verständlich sind. Lernt man dagegen ohne System, kann es häufiger passieren, dass man an schweren und nicht wirklich klausurrelevanten Themen festhängen bleibt. Unter Zeitmangel ist das ein richtiges Problem! Wichtig: Wenn man Bestnoten schreiben will, wird man natürlich i.d.R. den kompletten klausurrelevanten Lernstoff (sprich: Die komplette Fragenliste) im Kopf haben müssen.
Diese Regeln ersetzen natürlich in manchen Fächern nicht das grundsätzliche Durchdringen des Stoffes. Aber jeder von uns kennt die Fächer, die eben einfach große Stoffmengen bereithalten, die dann in der Prüfungsphase knallhart abgefragt werden.
Probiere einfach mal die Tipps in diesem Guide aus und du wirst sehen: Das Lernen fällt dir leichter!
Viel Erfolg!
Rita Harwardt
Adrian
Das ist schlichtweg falsch.
Angenommen, man könnte die Fähigkeit auf einer Skala von 0 (keine Fahrpraxis) bis 10 (extrem gute Fahrpraxis messen, dann könnte man sich dieses hypothetische Szenario vorstellen:
10% der Fahrer sind totale Fahranfänger und haben somit 0 Punkte
90% der Fahrer haben 10 Punkte.
Der Durchschnitt ist somit 9. 90% der Fahrer sind damit über dem Durchschnitt.
Was denkst du?