Nachdem ich jetzt mehreren tausend Menschen geholfen habe, BAföG zu beantragen, wird es Zeit über Härtefälle zu sprechen, die dazu führen können, dass dein Einkommen und Vermögen nicht vollständig angerechnet wird. Erfahrungsgemäß haben nur die wenigsten Antragsteller so viel Vermögen oder Einkommen, als dass ein BAföG Härtefall überhaupt relevant wird. Aber für diejenigen, die ohne Antrag auf Berücksichtigung des Härtefalls kein BAföG bekommen würden, ist dieser Artikel vielleicht die letzte Rettung. Disclaimer: Die folgenden Angaben sind stark zusammengefasst und betreffen nur die Fälle, die mir selbst in den letzten vier Jahren zwischen tausenden von Anträgen aufgefallen sind. Das sind also die häufigsten von den seltenen Fällen Wer es ganz genau wissen will, kann die Details und weitere sehr sehr seltene Fälle in den verlinkten Gesetzestexten /Verwaltungsvorschriften nachlesen:
Der Einkommensfreibetrag des BAföG Empfängers kann um bis zu 370 Euro monatlich erhöht werden, wenn du Studien- oder Prüfungsgebühren, die über die standardmäßigen Semestergebühren (die jeder hat Student in Deutschland zahlen muss) hinausgehen. Üblicherweise betrifft das Studierende an privaten Unis wie z.B. die Internationale Hochschule IU. §23 Abs. 5 BAföG
Ganz grundsätzlich gilt nur das als dein Vermögen, wo auch dein Name draufsteht. Hast du also ein Auto, in dessen Fahzeugschein dein Vater steht, aber im Prinzip hauptsächlich von dir genutzt wird, brauchst du dieses Auto nicht angeben. Das gilt auch, wenn das Auto noch nicht abbezahlt ist und der Fahrzeugbrief bei der Bank liegt oder wenn es das Auto nur geleast ist. In all diesen Fällen hast du Glück.
Nachteilig ist diese Regelung aber, wenn jemand wie z.B. deine Eltern Geld auf deinen Namen angelegt haben. In dem Fall ist es dein Vermögen, auch wenn sie es nur bei dir "parken" oder für später irgendwann gedacht war.
Der normale Vermögensfreibetrag für BaföG Empfänger*innen unter 30 Jahren liegt bei 15.000 Euro. Ab 30 darf man 45.000 Euro auf der hohen Kante behalten. Die meisten BAföG Anträge liegen weit unter diesem Wert. Für Kinder und Ehegatten erhöht sich der Vermögensfreibetrag um je 2.300 Euro. Hin und wieder gibt es aber Leute, für die der normale BAföG-Freibetrag trotz allem nicht reicht. Typischerweise liegt das an Wohneigentum. Zuerst sollte man wissen, dass das Amt Schulden und Vermögen miteinander verrechnet (nicht selbst beim Antrag abziehen, sondern getrennt angeben und nachweisen).
Zusätzlich können "zur Vermeidung unbillger Härte" von der Anrechnung folgendes Vermögen auf Antrag freigestellt werden:
Was als angemessen gilt laut Verwaltungsvorschrift zu §29 BAföG:
Man mag es kaum glauben, aber Eigenheime sind die zweithäufigsten Härtefälle meiner Kunden. Nur Studiengebühren kommen häufiger vor.
Angemessenes Eigenheim
Haushaltsangehörige | Wohnfläche |
---|---|
ab 5 Personen |
150 qm |
4 Personen |
130 qm |
3 Personen |
110 qm |
2 Personen |
90 qm |
1 Person |
kein BAföG Härtefall |
Angemessene Eigentumswohnung
Haushaltsangehörige | Wohnfläche |
---|---|
ab 5 Personen |
140 qm |
4 Personen |
120 qm |
3 Personen |
100 qm |
2 Personen |
80 qm |
1 Person |
kein Härtefall |
Pflegebedürftige und behinderte Haushaltsmitglieder haben natürlich einen anderen Bedarf und werden entsprechend zusätzlich berücksichtigt.
Ganz wichtig: Das betrifft ausschließlich das Vermögen des BAföG Empfängers, nicht dessen Eltern! Das Vermögen deiner Eltern wird grundsätzlich gar nicht angerechnet. Die können 3 Villen mit goldenen Toiletten und Wasserhähnen, 5 Ferraris 10 Hausangestellte und einen Privatjet haben und du könntest trotzdem BAföG bekommen, weil deine Eltern das alles irgendwann mal geerbt oder gewonnen haben und seitdem nicht mehr arbeiten. Sowas gibt es in der Realität natürlich nicht, wäre aber theoretisch möglich.
Mietkaution und Genossenschaftsanteile sind kein Problem. Die Miete selbst interessiert das Amt jedoch nicht. Dafür werden 325 Euro pauschal einkalkuliert unabhängig davon, wie hoch deine Miete tatsächlich ist und wer sie bezahlt.
Normalerweise werden Lebensversicherungen voll von deinem BAföG Höchstsatz abgezogen, es sei denn, du hast mehr eingezahlt als du jetzt ausgezahlt bekommen würdest und die Lebensversicherung gilt nicht ausschließlich der Verrentung.
Autos, die zwingend notwendig sind um die Uni oder Schule zu erreichen, können im Einzelfall freigestellt werden. Dabei muss das Auto angemessen (also kein Ferarri) und wie gesagt zwingend notwendig sein. Das könnte der Fall sein, wenn du im Rollstohl sitzt und keine barrierefreien öffentlichen Verkehrsmittel zur Verfügung stehen oder die Fahrt mit den Öffis unzumutbar lang ist z.B. weil der Bus nur ein Mal pro Stunde fährt und man deshalb beim Umsteigen ewig lange warten muss und deshalb jeden Tag 2,5 Stunden pro Strecke braucht, obwohl die Entfernung eigentlich gar nicht soooo weit ist. Der Verzicht auf ein eigenes Auto wäre schlichtweg unzumutbar.
Hast du schonmal einen Härtefallantrag gestellt? Wie lief das? Wurde er bewilligt? Hinterlasse deine Erfahrungen als Kommentar unter diesem Beitrag. Danke im Namen aller, die das lesen.
Alle Kommentare sind willkommen, aber ich muss auch gleich dazu sagen, dass ich hier keine Einzelfallberatung machen kann.
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